Schulentwicklung

Nach Geburtenknick drohen Schließungen

Kommunen beraten - CDU: Keine Reform im Schweinsgalopp

Von unserem Redakteur ERNST KRZIWANIE

Halle/MZ. Der Schullandschaft in Sachsen-Anhalt stehen Veränderungen bevor. Angesichts drastisch zurückgehender Schülerzahlen infolge des Geburtenknicks nach 1990 beraten gegenwärtig die Kommunen darüber, welche der 1476 Schulen in Sachsen-Anhalt weiter Bestand haben werden. Bis zum Jahresende müsse eine Entscheidung getroffen sein.

Den Handlungsbedarf begründet das Kultusministeriums damit, dass sich die Schülerzahl von derzeit 330.000 bis zum Jahr 2011 auf etwa 217.000 reduzieren wird. Betroffen sind besonders Sekundarschulen. Geschätzt wird ein Rückgang von gegenwärtig 152.000 Schüler auf 75.000 im Schuljahr 2010/2011. Ähnlich dramatisch sind die Auswirkungen in den Gymnasien. An ihnen werden im Schuljahr 1999/2000 noch 65.000 Schüler unterrichtet. Diese Zahl wird sich in zehn Jahren halbiert haben.

Schon jetzt ist absehbar, dass die Schulschließungen nicht nur ländliche Gebiete und den bevölkerungsschwachen Norden Sachsen-Anhalts treffen werden. Noch gibt es keine konkreten Zahlen. Von etwa 230 wird im Kultusministerium ausgegangen. Bei der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft seien, so Landeschef Thomas Lippmann, andere Zahlen im Gespräch. Dort befürchtet man das Aus von etwa 500 Schulen und als Folge größere Belastungen der Mädchen und Jungen durch längere Schulwege sowie die Umsetzung von Lehrern in andere Kollegien.

Vorgaben, wie groß überlebensfähige Einrichtungen sein müssen, enthält eine Verordnung des Kultusministeriums zur mittelfristigen Schulentwicklungsplanung für den Zeitraum von 2001 bis 2006 (siehe Infokasten). Sie beendet auch die bisherige Praxis der jährlichen Aktualisierung.

Einerseits werde damit laut Kultusminister Gerd Harms (Bündnis 90/Die Grünen) das Ziel verfolgt, "ein regional ausgeglichenes und leistungsfähiges Bildungsangebot im Land zu entwickeln." Andererseits erlangten die Kommunen so "eine größere Gestaltungssicherheit für Schulstandorte, den Schulbau und die Planung des öffentlichen Personennahverkehrs".

Vom Landkreistag Sachsen-Anhalts werden diese Überlegungen als der Situation angemessen begrüßt. "Die Vorgaben", so Geschäftsführer Karl Gertler, "ermöglichen eine Abschätzung des Schulbedarfs und eine wirtschaftlichere Auslastung der zu erhaltenden Schulen, insbesondere in den Fachkabinetten."

Deutliche Kritik an dem Vorhaber kommt von der CDU. Reine Schomburg, stellvertretende Fraktionsvorsitzender der Landtagsopposition, warnt vor eine "Reform im Schweinsgalopp". Na türlich müsse auf den Schülerrückgang reagiert werden. "Doch das Verfahren zur Aufstellung, Beratung und Beschlussfassung der Pläne ist so kompliziert", mein Schomburg, "dass vielen Schulträgern und ihren Kreistagen oder Gemeinderäten eine geordnete und tragfähige Arbeit innerhalb der gewährten Frist kaum möglich ist." Von einer demokratischen Beteiligung aller Betroffenen könne da nicht die Rede sein.

Die Verordnung zur mittelfristigen Schulentwicklungsplanung gibt Mindestgrößen für die Bestandsfähigkeit einer Schule vor.


SCHULISCHE MINDESTGRÖSSEN

Richtwerte des Kultusministeriums

Grundschule: einzügig; Mindestschülerzahl: 60. Ausnahme zulässig: Mindestschülerzahl 40.

Sekundarschule: zweizügig; Mindestschülerzahl, ohne Förderstufe: 160 Schüler; Ausnahme zulässig an Einzelstandorten: Mindestschülerzahl kleiner als 160.

Gymnasium: dreizügig; Mindestschülerzahl: 525; Ausnahme zulässig an Einzelstandorten: Mindestschülerzahl: 350.

Gymnasium mit inhaltlichem Schwerpunkt: zweizügig, Mindestschülerzahl: 350.

Sonderschule Schule für Geistigbehinderte: Mindestschülerzahl: 28; Schule für Lernbehinderte: Mindestschülerzahl pro Schule: 90.


Download des Artikels als 150 dpi-Scan (65,2 kByte) aus der Mitteldeutsche Zeitung (Mit freundlicher Genehmigung der MZ)

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